Antrag "Perspektive Ganztag"

Am 4.11.03 hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag ins Abgeordnetenhaus eingebracht, in dem auch bei der weiteren Entwicklung von Ganztagsangeboten an Berliner Grundschulen eine Kooperation von Schule und Jugendhilfe (inkl. freie Träger) und verbindliche Standards für die Betreuung von Grundschulkindern gefordert werden. Wir dokumentieren nachfolgend den Wortlaut des Antrags, der als Drucksache 15/2183 vom Berliner Abgeordnetenhaus veröffentlicht wurde.

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Perspektive Ganztag für alle Grundschulkinder -
Kooperation von Schule und Jugendhilfe sicherstellen!


Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

Der Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. März 2004 ein mit den Bezirken und den Freien Trägern der Jugendhilfe abgestimmtes Rahmenkonzept zum Ausbau der Ganztagsangebote in Grundschulen vorzulegen, das die Entwicklung von Ganztagsangeboten in Kooperation von Schule und Jugendhilfe ermöglicht. Auf Grundlage einer gemeinsamen bezirklichen Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung sollen die Schulen in Kooperation mit freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe ein auf ihr pädagogisches Profil und die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern und Kinder abgestimmtes Angebot entwickeln können.

Das Konzept soll insbesondere darlegen, wie die einzelnen Elemente der Angebote unter dem Dach Schule (Verlässliche Halbtagsgrundschule, Angebote am Nachmittag und darüber hinausgehende Freizeit-, Bildungs- und Betreuungsangebote inklusive Ferienbetreuung) inhaltlich und organisatorisch gestaltet und miteinander verzahnt werden sollen. Es enthält Vorgaben zu Form und Grad der Verbindlichkeit möglicher Kooperationsbeziehungen mit den Trägern der Jugendhilfe bei der Entwicklung und Gestaltung dieser Angebote. In diesem Zusammenhang ist auch darzulegen, wie die an vielen Schulen bereits eingerichteten Schülerclubs und Schulstationen in ein Gesamtkonzept eingebunden werden können.

Für die einzelnen Bausteine

- Verlässliche Halbtagsgrundschule
- Angebote am Nachmittag
- Früh- und Spätdienste
- Ferienbetreuung/-angebote

sind personelle, räumliche und sächliche Ausstattungsstandards festzulegen und Kostensätze mit den Trägern der Jugendhilfe zu vereinbaren.

Bei der Personalbedarfsplanung ist sicher zu stellen, dass auch bei den schulischen Ganztags- und Betreuungsangeboten analog § 11 Kitagesetz zusätzliches geeignetes Personal für die Förderung von Kindern mit Behinderungen und nicht deutscher Herkunftssprache sowie von Kindern aus sozial benachteiligenden Bedingungen zur Verfügung gestellt wird.

Das Konzept muss einen verbindlichen Zeitraum vorgeben, in dem die Ganztagsangebote entwickelt und implementiert werden müssen.

Das Gesamtprojekt der Entwicklung von Ganztagsgrundschulen muss wissenschaftlich und pädagogisch unterstützend begleitet werden. Dazu sollen die im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunft für Bildung“ zur Verfügung stehenden Mittel für mit der Implementierung verbundene Dienstleistungen (bis zu 50.000 Euro) eingesetzt werden.



Begründung:

Ganztagsangebote an Schulen sollen durch die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe und weiteren außerschulischen Trägern für eine neue Lernkultur sorgen. Sie führen zu einer besseren Förderung der SchülerInnen und fördern die Zusammenarbeit von Lehrkräften mit anderen Professionen. Sie ermöglichen mehr Zeit für Bildung und Erziehung, individuelle Förderung, Spiel- und Freizeitgestaltung sowie eine bessere Rhythmisierung des Schultages. Sie sorgen für ein umfassendes Bildungs- und Erziehungsangebot, das sich an dem jeweiligen Bedarf der Kinder und der Eltern orientiert. Dafür benötigen die Schulen zusätzlich zu den Lehrenden kompetentes Personal u.a. zur Förderung von Kreativität, praktischer und sozialer Arbeit außerhalb von Unterricht.

Sieht der Entwurf für ein neues Schulgesetz noch ausdrücklich vor, dass Schulen sich gegenüber ihrem Umfeld öffnen und zu diesem Zweck mit den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe kooperieren sollen, wird die Jugendhilfe in dem vom Senat beschlossenen "Gesamtkonzept für die Ganztagsbetreuung von Grundschulindern" als Träger von Betreuungsangeboten für Kinder im Schulalter gänzlich von der Schule abgelöst.

Zum Schuljahr 2005/2006 sollen alle Hortplätze (Stellen und Sachmittel) in den Schulbereich verlagert werden. Anscheinend der für den Senat einfachste Weg, mögliche Probleme bei der Überleitung des Personals im Zuge der Übertragung öffentlicher Kitas an Freie Träger aus dem Weg zu räumen. Die freien Träger bieten nach diesem Modell dann in Zukunft nur noch Plätze für Krippe und Kindergarten an, die öffentlich Beschäftigten wandern in den Schuldienst - ohne Rücksicht darauf, ob die Erzieher/-innen vorher mit Krippen-, Kindergarten- oder Hortkindern gearbeitet haben.

Die Qualität der pädagogischen Arbeit bleibt dabei auf der Strecke, die Chance an den Wünschen der Eltern orientierte und auf bestehende Kooperationen und Angebote (benachbarte Horte, Schülerclubs und Schulstationen, Vereine) aufbauende Ganztagsangebote unter dem Dach Schule zu entwickeln, wird vertan. Dies widerspricht auch den öffentlichen Äußerungen und Ankündigungen von Staatsekretär Härtel.

In der freien Trägerschaft (Schülerläden und Horte) gibt es ein großes Interesse, die Horte auch als Bestandteile von Ganztagsschulen weiterzuführen. Allerdings müssen hierfür die Rahmenbedingungen geklärt und machbar sein. Geklärt werden muss, welche Leistungen im Rahmen der VHG und von Hortarbeit an der Schule zu welchen Bedingungen erwartet werden. Auf der Basis festgelegter Standards können Kostensätze vereinbart und den Schulen Personal- und Sachmittel für die einzelnen Bausteine der Ganztagsangebote zur Verfügung gestellt werden. Das eröffnet Schulen und den Trägern der Jugendhilfe Gestaltungsspielräume für eine gemeinsame Entwicklung von Ganztagsangeboten unter dem Dach Schule.
Eltern, Kinder, Erzieher/-innen und Lehrer/-innen brauchen verlässliche Angaben über die zeitliche Umsetzung der geplanten Veränderungen. Deshalb muss es einen für alle nachvollziehbaren und realistischen Zeitrahmen für die Umsetzung geben. Nach Entscheidung über die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Ganztagsangebote an Schulen ist ein Zeitraum von ca. zwei Jahren für die Umsetzung nötig.

Berlin, den 04. November 2003

Dr. Klotz, Ratzmann, Jantzen, Pop, Mutlu
und die übrigen Mitglieder
der Fraktion Bündnis90/Die Grünen



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