Offener Brief Böger

Nachfolgend dokumentieren wir den Offenen Brief des "Bildungs"-Senators Böger vom 8. Mai 2002


Sehr geehrte Eltern,
sehr geehrte Erzieherinnen und Erzieher,

für Ihr Schreiben, in dem Sie Ihre Besorgnis und Empfehlungen angesichts der erörterten Sparmaßnahmen im Kita-Bereich zum Ausdruck bringen, danke ich Ihnen. Verständlicherweise bewegt Sie die Sorge um eine Absenkung der Personalstandards und somit der Qualität der Betreuung Ihrer Kinder. Ebenso wie Sie setzten sich in den vergangenen Wochen viele Eltern und Erzieher/innen mit den Sparbeschlüssen auseinander und äußerten in Briefen an mich ihre Bedenken wie auch Unverständnis und Protest. Aufgrund der großen Flut von Briefen möchte ich Ihnen die finanzpolitischen Entscheidungen und deren Auswirkungen für den Kitabereich in einem offenen Brief erläutern.

Angesichts der katastrophalen Haushaltslage müssen nach der derzeitigen Beschlusslage alle Bereiche, auch der Kita- bzw. Bildungsbereich allgemein, einen - wenn auch geringeren - Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Hierbei steht die Frage, wie mit den vorhandenen äußerst knappen finanziellen Mitteln ein Höchstmaß an Qualität für alle Kindertageseinrichtungen und die Versorgung von möglichst vielen Kindern erreicht werden kann, im Vordergrund. Deshalb kam eine Verringerung der Plätze, als denkbare Maßnahme der Kostensteuerung, nicht in Frage. Vielmehr soll in Zukunft die Versorgung der Schulkinder, die in etlichen Regionen Berlins immer noch nicht bedarfsgerecht ist, verbessert werden.

Aufgrund der Tatsache, dass in Berlin bisher zwei unterschiedliche Personalschlüssel für die Horte in Kindertagesstätten einerseits und für den Bereich der schulischen Ganztagsangebote (Offener Ganztagsbetrieb und Ganztagsschulen) im Ostteil der Stadt andererseits existieren, wurde eine Angleichung des Personalschlüssels als notwendige Konsequenz angesehen.
In Schulen und Kitas wird künftig weiterhin von einer Gruppengröße von 20 Schulkindern ausgegangen. Der neue Hortschlüssel berücksichtigt während der Schulzeit einen Betreuungsumfang von durchschnittlich 5 Stunden und in den Ferien außerhalb der Schließzeiten von durchschnittlich 8 Stunden. Zur Abdeckung dieser Betreuungszeiten für 20 Kinder wird in den ehemals westlichen Bezirken 0,93 Erzieherstellen und in den ehemals östlichen Bezirken 0,90 Stellen zur Verfügung gestellt (der Unterschied erklärt sich aus der längeren Wochenarbeitszeit gern. BAT-Ost). In der Personalverordnung wird daraus der Personalanteil pro Kind abgeleitet. Der für Kitas neue Hortschlüssel bedeutet also keine Gruppenvergrößerung, sondern eine veränderte Bemessungsgrundlage für die Erzieher-Kind-Relation und die damit abzudeckenden Betreuungszeiten.

Die Bedeutung der Leitungskräfte für eine qualitativ hochwertige sozialpädagogische Arbeit ist dem Senat durchaus bewusst. Ohne Zweifel ist die neue Bewertung des Leitungsschlüssels eine rein finanzpolitische und keine bildungspolitische Entscheidung, die wesentlich davon beeinflusst war, dass in verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedliche Freistellungsanteile zur Verfügung stehen. In Brandenburg sind das erheblich weniger als in Berlin. Dies hat die Diskussion gerade auch im Hinblick auf ein zukünftiges Zusammengehen beider Länder essentiell beeinflusst.

Dennoch liegt der Schwerpunkt im Kita-Bereich auf der Verbesserung der Qualität der Bildungsprozesse, insbesondere der vorschulischen Erziehung. Deshalb wurde in diesem Bereich von einer Standardabsenkung abgesehen. Hier sollen die Erzieher/innen künftig noch besser unterstützt werden bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe der Entwicklungsförderung, vor allem aber auch der Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund.

Die Anrechnung der Praktikantentätigkeit auf den Erzieherschlüssel wird, wie von Ihnen kritisiert, zwar ab 2002 in den öffentlichen Kindertagesstätten umgesetzt; allerdings wird ein weiterer Ausbau im Bereich der Stützpädagogen damit verrechnet. Der Senat hat diese Maßnahme zum Anlass genommen, die Erzieherausbildung von einer zweiphasigen- auf eine verbesserte einphasige Ausbildung umzustellen, so dass die Praktika künftig innerhalb der Schulzeit geleistet werden. Im Ergebnis wird die Anrechnung der Praktikanten auf den Erzieherschlüssel dann hinfällig. Die Erzieherausbildung wird durch eine Erhöhung der Theorieanteile und eine konzentriertere Theorie-Praxis Verbindung verbessert.

Abschließend möchte ich noch auf die Forderungen der Gewerkschaften nach einer Sicherung und Verbesserung der Rahmenbedingungen in den öffentlichen Kindertagesstätten eingehen. Sie werden verstehen, dass der Senat in der Wahrnehmung seiner Gesamtverantwortung für alle Kinder nicht Sonderregelungen auf dem Weg eines Tarifvertrages für die in öffentlicher Trägerschaft befindlichen Kindertagesstätten unterstützen kann. Zumal ein Tarifvertrag in die Rechte des Parlaments eingreifen würde, denn seit 1995 sind mit der Verabschiedung des Kindertagesbetreuungsgesetzes (KitaG) in Berlin rechtsverbindliche Regelungen über die Rahmenbedingungen für die Förderung von Kindern in allen Tageseinrichtungen geschaffen worden. Demnach liegt die letztendliche Verantwortung für alle wesentlichen Angelegenheiten der Kindertageseinrichtungen beim Abgeordnetenhaus von Berlin, das seine endgültige Entscheidung bei der Verabschiedung des Haushaltsentlastungsgesetzes Ende Juni diesen Jahres treffen wird.

Ich versichere Ihnen, dass es weiterhin - trotz der notwendigen Haushaltskonsolidierung - zu den politischen Prioritäten des Senats gehört für die Sicherung der Qualität der Erziehung und Bildung im Kindertagestättenbereich insbesondere im Bereich der vorschulischen Erziehung zu sorgen und die Ganztagsbetreuung für Schulkinder auszubauen.

Ich danke ihnen für Ihr Engagement und verbleibe mit freundlichen Grüssen


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