Rede Böger

Nachfolgend ein Ausschnitt aus der Rede von Senator Böger in der Kitadebatte des Berliner Abgeordnetenhauses vom 14. November 2002:

Nun kommt ein weiterer wichtiger Grund hinzu, in dem die Kitapolitik mit den Strukturveränderungen, die wir im Bereich der Schule – insbesondere dem der Grundschule – in dieser Legislaturperiode vorhaben, zusammenläuft. Wir wollen in dieser Legislaturperiode die flächendeckende Einführung der verlässlichen Halbtagsgrundschule und die Schaffung von 30 zusätzlichen Ganztagsgrundschulen. Dadurch, dass wir zukünftig in der Grundschule eine verlässliche Betreuung bis 13.30 Uhr haben, würde der erforderliche Nachmittagsbetreuung in Kitahorten von derzeit durchschnittlich 7 Stunden auf durchschnittlich 3 Stunden reduziert. Da stellt sich die Frage – wir haben sie strukturell als gedanklichen Ansatz auch beantwortet –, ob ein institutionelles Doppelangebot für die gleiche Ziel-gruppe der Grundschulkinder noch pädagogisch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar ist. Wir glauben, dass dort eine ganz große Chance liegt, indem die Kitahorte mit der Schule und der Ganztagsschule organisch verbunden werden. Wir würden im übrigen – um auch das etwas zugespitzt zu sagen – in der ganzen Stadt im Grundsatz ein Modell der Betreuung finden, ähnlich dem offenen Ganztagsbetrieb, den es gegenwärtig nur in einem Teil der beiden Stadthälften gibt. Eine offene oder gebundene Form ist das Ziel.

Wir wollen, dass endlich auch in der alten Bundesrepublik die Trennung organisatorisch zwischen dem, was Jugendhilfe verantwortet und Kita sowie Schule tatsächlich an einem Punkt aufgehoben wird, indem die Hortbetreuung an der Grundschule vorgenommen wird, weil die Kinder bereits am Vormittag in der Grundschule sind. Es ist sinnvoll, sie nachmittags an dieser Grundschule zu betreuen. Das ist die Philosophie, die dahintersteht! [Beifall bei der SPD und der PDS] Wir sollten uns bei all dem tatsächlich nicht zu schade sein zu sagen, dass man dieses vernünftige Modell eben auch von der ehemaligen DDR als Strukturreform lernen und es auch übernehmen kann. Es geht nicht um die Inhalte, sondern um Strukturen. [Beifall bei der PDS] Das muss man auch mal sagen dürfen. Ich sage dies nicht wegen des jetzigen Koalitionspartners, sondern habe dies auch schon vorher gesagt, wenn Sie genau zugehört haben.

[Frau Jantzen (Grüne): Das hat aber lange gedauert!] – Sehen Sie, es sind nicht alle so schnell wie Sie, Frau Kollegin. Es gibt also ein Lob der Langsamkeit. Wenn wir gemeinsam an das Ziel kommen, haben wir schon etwas erreicht. Nun komme ich, Herr Kollege Steuer, zu einem heiklen Punkt. Wenn dieses Konstrukt unser Ziel ist, kann dies im übrigen natürlich nicht mit Datum per 31.12. geschehen. Sie brauchen dazu vielmehr eine organisatorische Überleitung des Personals. Auch die räumlichen Gegebenheiten werden benötigt. Das kann nur vor Ort und nicht zentral geschehen. Das muss die Jugendhilfeplanung vor Ort regeln. Wir können dies dann schrittweise zusammenführen.

Nun komme ich zu einem anderen Punkt – ich sehe auch den Kollegen Vorsitzenden des Ausschusses –, der heftig diskutiert wird, die Frage, was aus den Vorklassen wird. Mein Haus steht der Strukturüberlegung nahe – ich persönlich vertrete sie auch, sie steht aber dann auch zur Diskussion –, dass wir im Zuge dieser Zusammenfassung auf einem klaren Schnitt- und Trennungmachen zwischen vorschulischer und schulischer Ausbildung bestehen. Das heißt, dass wir die Vorklassen aufheben wollen. Die Vorklassenleiterinnen sollen an dieser Ganztagsschule bleiben. Das ist pädagogisch sinnvoll und vernünftig. Wir wollen die vorschulische Erziehung zu dem Kernprogramm der Kita insgesamt machen. Nach unserer Vorstellung ist vorschulische Erziehung wirklich falsch, wenn sie nur ein Jahr dauern würde. Vorschulische Erziehung ist essentieller Bestandteil einer Kita, die sich als Bildungseinrichtung versteht. Das ist der Kern der Dinge, der hinter der Frage steht, die in Westberlin eingeführten Vorklassen mit dieser Strukturreform aufzugeben.

Dies ist unser Vorschlag. Den werden wir gemäß dem Berichtsauftrag auch dem Ausschuss exakt vorlegen. Ich weiß, dass es darüber Diskussionen gibt. Ich bestreite auch nicht, dass sehr viele Kinder diese Vorklassen besucht haben. Ein Strukturproblem der Vorklasse war immer, dass nur ein gewisser Zeitraum der Betreuung zur Verfügung stand. Das ist ein Problem. Sie wissen, dass die Doppelbetreuung dann schwierig ist. Ein weiteres Problem liegt in dem gedanklichen Ansatz, die bildungsmäßige Vorbereitung auf Schule exakt nur ein Jahr vor der Schule zu ermöglichen. Das ist falsch. Das geben auch neuere Erkenntnisse nicht her. Das muss schon früher geschehen.

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